Problempferdetraining

Eigentlich ist das Wort "Problempferdetraining" nicht richtig. Oftmals sind Probleme in der Pferd-Mensch-Beziehung von Kommunikations- und Dominanzproblem geprägt. 

 

Kein Pferd ist von Natur aus "böse". Es spiegelt seine Erfahrungen und Umweltreize wider, die ihm widerfahren sind. Dabei handelt es stets rational, also ohne Hintergedanken oder gar mit Berechnung. 

 


Wenn ein Pferd sich dem Menschen entzieht, können unterschiedliche Dinge passiert sein:

 

In den gängigen Fällen hat sich der Mensch als Leittier nicht bewährt.

Um das genauer zu erklären, muss das Sozialverhalten von Pferden genauer betrachtet werden: Pferde leben in sozialen Gruppen, die vom ranghöchsten Mitglied der Gruppe geführt wird. Dem Leittier obliegen dabei wichtige Aufgaben: Es bestimmt Richtung und Weg, es schätzt die "Sicherheitslage" ein (besteht Grund zur Flucht?) und hält die Herde zusammen. Es geht also um Sicherheit. Bewährt sich ein Leittier nicht (mehr), wird es ganz rational von der Gruppe abgesetzt und ein anderes Pferd tritt an die Stelle.  Es zählt nur das Gemeinwohl der Gruppe. Daher werden in freier Wildbahn z.B. alte und kranke Pferde von der Herde zurückgelassen/verstoßen, da sie - ganz rational - ein Sicherheitsrisiko darstellen.

Das bringt uns gleich zu dem nächsten Punkt: Pferde entscheiden emotionslos. Ein Pferd liebt nicht, ein Pferd hasst nicht. Es kann sich nur dafür entscheiden, dass es "gut" ist bei uns Menschen sein, d.h. dass es sicher und versorgt ist.

 

Was bedeutet das für unsere Pferd-Mensch-Konstellation?

Der Mensch muss für eine harmonische Pferd-Mensch-Beziehung an die Stelle des Leittiers treten. Wir reden also von einer Mini-Herde aus Pferd und Reiter. Also muss der Mensch jetzt seine neuen Aufgaben gewissenhaft ausführen: 

 

  • Er muss führen: Wo geht es wie und in welcher Geschwindigkeit hin?
  • Er muss Sicherheit ausstrahlen: Ist der Mensch unsicher oder hat sogar Angst, wird sich das immer auf das Pferd übertragen.
  • Er muss rational sein: Die Beziehung braucht Regeln, die eingehalten werden müssen. Unerwünschtes Verhalten durchgehen lassen, weil das Pferd "heute so süß guckt", funktioniert nicht. Wird unerwünschtes Verhalten nicht sofort korrigiert (Pferde haben ein sehr schlechtes Kurzzeitgedächtnis), ist es für das Pferd rational richtiges Verhalten und es wird es in näherer Zukunft wieder zeigen. 
Bei der Frage der Rangordnung spielt Größe und Kraft nicht die entscheidende Rolle, sondern die innere Einstellung und das Auftreten.
Bei der Frage der Rangordnung spielt Größe und Kraft nicht die entscheidende Rolle, sondern die innere Einstellung und das Auftreten.

Wie zeigen sich nun im Alltag Probleme in der "Leittierposition des Menschen"?

Die ersten Anzeichen werden von den meisten Menschen gar nicht als Infragestellung der Rangposition des Menschen wahrgenommen:

  • Anrempeln, Schupsen, Anstupsen des Menschen. Das Pferd versucht seinen Menschen zu bewegen, also zu leiten. Das wäre aber die Aufgabe des Leittiers!
  • Beim Führen sucht das Pferd sich seinen eigenen Weg, z.B. durch wegziehen. Das Pferd versucht die Führung zu übernehmen.
  • Angespanntheit. Der Mensch vermittelt nicht genug Sicherheit.
  • Tänzeln beim Aufsteigen. 

Diese Verhaltensweisen könne sich im Laufe der Zeit weiter potenzieren:

  • Schnappen und treten.
  • Wegrennen vor dem Menschen, losreißen.
  • Scheuen und Bocken beim Reiten.

In der nächsten Stufe gelten die Pferde meistens schon als

  • Problempferd
  • unreitbar 
  • gefährlich. 
Unklare Rangordnung? Bei Pferden geht es auch mal gröber zu. Wer den anderen zurückdrängen/bewegen kann, ist der Ranghöhere.
Unklare Rangordnung? Bei Pferden geht es auch mal gröber zu. Wer den anderen zurückdrängen/bewegen kann, ist der Ranghöhere.

Doch wie erreichen wir die Attribute eines Leittiers? Was in der Theorie schon sehr logisch klingt, muss aber in der Praxis erstmal umgesetzt werden. Hier helfen uns theoretisches Wissen, die klassische Reitlehre/Westernreitlehre und die gängigen Horsemanship-Praktiken. 

Führung

Um Führen zu können, benötigt man einen Plan. Man muss also wissen, was man wie tut. 

Hier zu gehört in erster Linie die Ausbildung des REITERS am Boden und auf dem Pferd. Er muss also sein Handwerk lernen. 

Nur durch sichere Hilfen und Kenntnisse der Reitlehre kann man ein Pferd reiten, das ist vielen klar. Aber genauso bedarf es Kenntnisse darüber, wie sich Pferde anführen lassen. Das wird leider viel zu wenig in der reiterlichen Ausbildung behandelt. 

Zu diesem Bereich zählt auch die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse des Pferdes (Haltung, Fütterung, Auslauf, Sozialkontakte). Das sind in der Natur auch Aufgaben des Leittieres.

Sicherheit

Um dem Pferd Sicherheit zu geben sind Kenntnisse über die Verhaltensweisen unerlässlich:

Pferde sind Fluchttiere. Droht also Gefahr, ist der beste Weg die Flucht. In der Natur bestimmt die Leitstute, ob es an der Zeit ist zu fliehen. Bleibt sie ruhig, wird es die Herde auch tun. Das muss der Mensch sich ebenfalls aneignen. Einen kühlen Kopf bewahren. Dazu gehört beispielsweise auch einen anderen Weg zu wählen, um die Gefahr zu minimieren. Er muss außerdem seine Emotionen kontrollieren. Pferde können perfekt unsere Mimik und Gestik lesen. Sie spüren unseren Herzschlag und riechen Angstschweiß. Das ist definitiv die schwerste Aufgabe für den Menschen.

Rationalität

Unter Rationalität vereinen sich auch Begriffe wie Gradlinigkeit und Emotionslosigkeit. 

Pferde sind Gewohnheitstiere. Daher sollten Reaktionen auf bestimmtes Verhalten immer die gleichen sein. Was heute verboten ist, darf morgen nicht erlaubt sein. Daraus resultiert Unsicherheit des Pferdes gegenüber des Leitieres, also ist es rational die Position des Menschen in Frage zu stellen.

Zur Emotionslosigkeit sei gesagt, dass das Pferd selbst nur denkt: Sinnvoll? ja/nein? Für mich gut? ja/nein. Weiter geht der Denkprozess nicht. Diese Denkmuster muss sich der Mensch aneignen. Ist das Verhalten des Pferdes für mich gut? 

JA: Verhalten positiv verstärken.

NEIN: Verhalten korrigieren. 


Das alles zusammen schafft das, was sich alle Reiter wünschen: Gegenseitiges Vertrauen zwischen Mensch und Pferd, woraus eine harmonische Beziehung entsteht. 

Wenn ein Pferd die Sicherheit des Menschen akzeptiert hat, kann man es behutsam an die gruseligen Dinge des Lebens gewöhnen.
Wenn ein Pferd die Sicherheit des Menschen akzeptiert hat, kann man es behutsam an die gruseligen Dinge des Lebens gewöhnen.

Das Stichwort Vertrauen bringt uns zu der zweiten Art von "Problempferden", die die deutlich komplexeren und schwereren Patienten sind: 

 

Pferde, die das Vertrauen in den Menschen komplett verloren haben.

Der Vertrauensverlust wurde in den meisten Fällen durch besondere Ereignisse hervorgerufen:

  • Unfälle
  • sportliche Überforderung
  • Gewalt und Qual
  • starke Hilflosigkeit in Angstsituationen.

Diese Pferde haben mindestens einmal in ihrem Leben eine Situation erlitten, der "Todesangst" gleich kommt. Als Resultat daraus zeigen sich verschiedene Pferdetypen:

  • Die extrem scheuen Pferde, die möglichst viel Platz zwischen sich und den Menschen bringen wollen und mit Panik und Angst auf den Menschen reagieren. 
  • Die aggressiven Pferde, die Kontakt mit Menschen mit Angriff beantworten. Diese Pferde haben den "innerlichen Schalter" umgelegt. Kampf ist ihr einziges Mittel zur Verteidigung gegen den "Feind Mensch".
  • Die "leblosen Pferde". Diese Pferde haben sich in einer so starken Hilflosigkeit befunden, dass sie innerlich "abgeschalten" haben. Sie zeigen oftmals Verhaltensanomalien bzw. Trance ähnliche Zustände auf menschliche Reize wie Schüttelanfälle, Augen verdrehen, Taumeln oder Zittern am ganzen Körper. 

Die Arbeit mit solchen Pferden ist sehr Zeit intensiv und kann Jahre in Anspruch nehmen. 

Die gewissenhafte Arbeit an der persönlichen Leittierposition zahlt sich mit unbezahlbaren Momenten mit unserem Partner Pferd aus.
Die gewissenhafte Arbeit an der persönlichen Leittierposition zahlt sich mit unbezahlbaren Momenten mit unserem Partner Pferd aus.

Sie brauchen Hilfe mit Ihrem Pferd? So können wir Ihnen helfen.

Unser Trainerteam unter der Leitung von Elisabeth Roos hat ein einzigartiges Reha-Programm für "Problempferde" entwickelt. Hierfür bringen Sie Ihr Pferd zu uns auf den Hof. Die Zeiträume variieren ja nach Schwere der Probleme. Wichtig ist aber, dass eine Therapie nur gelingt, wenn auch der Mensch an sich arbeiten möchte!

 

Unser Programm umfasst drei Phasen:

 

Phase 1: Therapie des Pferdes

  • Wir arbeiten mit Ihrem Pferd, bauen Vertrauen auf und versuchen die Hintergründe der Probleme zu lokalisieren. Hierzu gehören auch chiropraktische Untersuchungen, ein Equipmentcheck, tägliche Bodenarbeit und später auch Beritt.

Phase 2: Ausbildung des Menschen

  • Wir bilden Sie aus. Am Anfang stehen Ihnen dafür gute und sensible Schulpferde zur Verfügung. Schwerpunkte sind hierbei theoretisches Wissen, Körpersprache, reiterliche Kenntnisse und Bodenarbeitsfertigkeiten. 

Phase 3: Die Zusammenführung

  • Wenn Sie und Ihr Pferd auf einem guten Weg sind, beginnt die gemeinsame Arbeit. Denn unser Ziel ist, dass Sie am Ende des Programms zufrieden und vor allem zusammen mit Ihrem Pferd nach Hause fahren und genügend "Werkzeuge" an der Hand haben, um eigenständig weiter arbeiten zu können. Denn aus Erfahrung können wir sagen: Wer das Erlernte zu Hause nicht anwendet, wird nach kürzester Zeit wieder vor neuen Problemen stehen. 

Einige Dinge sollten Sie bedenken, wenn Sie sich für eine Teilnahme am Problempferdeprogramm entschließen möchten:

  • Niemand kann vorhersagen, wie lange die Therapie dauert. Manche Pferde sind nach zwei Wochen fit, andere erst nach Monaten oder gar Jahren.
  • Sie brauchen Zeit. Ohne Sie geht es nicht.
  • Es können finanzielle Doppelbelastungen durch Stallmiete oder ähnliches entstehen. 
  • Sie müssen an sich arbeiten wollen und auch Kritik annehmen können. Es fällt niemanden leicht, Fehler einzusehen und auch anzunehmen. Das ist menschlich. Aber die Bereitschaft an seinen Fehlern zu arbeiten, das ist Wille. 
  • Sie müssen ehrlich zu uns sein. Wir können Ihrem Pferd besser helfen, wenn wir seine Geschichte kennen.  
  • Und natürlich müssen Sie uns vertrauen. Sie können immer Nachfragen, wenn Sie etwas nicht 100% verstehen. Wir erklären es Ihnen gern. 

Kosten

Für die Kosten und weitere Informationen zu unserem Programm nehmen Sie bitte Kontakt zu uns auf. Wir beraten Sie gern und versuchen für jeden die passende Lösung zu finden.